Tom S. Assender
Geschichten, neu entdeckt.

Meine Bücher

Fantastische Geschichten

Exclusiv bei Amazon als Taschenbuch und bei Kindle unlimited als E-Book:  Schottland-Der Fluch

Hier präsentiere ich Ihnen, eine kurze Leseprobe und das Cover zu meiner neuen Geschichte.


 




September 2019, Dunnottar Castle, Schottland

Laut krachten die heranrauschenden Wogen an die Steilküste Stonewalls. Die tiefe Bucht mit den hohen Klippen, die sich in weitem Bogen dahinzog, verstärkte das Dröhnen der Wellen wie ein Trichter. Der felsige Strand lud nicht zum Verweilen ein. Auf einem von der Brandung ausgehöhlten Fels erhob sich Castle Dunnottar. Die Regierung Schottlands hatte die Ruine wieder instandgesetzt und gegen weiteren Verfall gesichert. Tafeln mit Inschriften erklärten die Historie der gestürzten Mauern. Noch heute wirkten die Einschläge der Kanonenkugeln im durch die Jahrhunderte verwitterten Mauerwerk bedrohlich.
Düster zogen sich schmale Gänge durch das Museum, das die Geschichte der einstmals hier Eingekerkerten und Gepeinigten erzählte. Die im massiven Gemäuer verankerten Ketten, die an den Wänden herabhingen, verdeutlichten die Gewalt, die sich Menschen im Namen des Glaubens angetan hatten. Der Weg durch das Museum führte die Besucher auf einen sonnendurchfluteten Innenhof, begrünt, mit leisem Rauschen des Meeres. Die Luft roch nach Salz. Meersalz.
Wind umspielte das kurze Haar eines stämmigen Mannes, der still auf einer Bank saß und nicht den Mut aufbrachte, seine Augen zu öffnen und sich seine Umgebung anzusehen. Er summte eine alte, längst in Vergessenheit geratene Melodie vor sich hin:
»Wo reiten wir hin, in welch tiefes Tal?
Wo reiten wir hin, in welches Grab?
Du bist mein Gebieter, nun zeige mir, nun zeige mir den Weg dafür!
Herr, reite mit mir und sei mein Gral, nimm mich und mein Schwert zu dir …«
Vierzig Lebensjahre hatten sich in seine Haut gegraben. Er drehte den Kopf in den vom Meer kommenden Wind. Doch er ließ die Augen geschlossen, als hörte er die von Furcht erfüllten Schreie der Menschen noch, die hier im späten Mittelalter um ihr Überleben kämpften.
Immer wieder bewegte er den Kopf hin und her. Seine Hände strichen über die Bank, auf der er saß. Hinter seinen Lidern machte die Helligkeit dem Dunkel Platz. Er blinzelte in die Sonne und sah doch nicht mehr als den Schatten einer Person, die vor ihm stand.
»Kann ich Ihnen helfen, junger Mann? Fühlen Sie sich gut?« Er sah das Gesicht der Frau, die die Eintrittskarten für das Museum verkaufte und ihn jetzt anlächelte.
»Nein. Danke schön, Madame«, murmelte er leise und dachte: »Mir kann keiner helfen, zumindest nicht hier und in diesem Jahrhundert.«
Erschrocken im Hier angekommen trieb es ihn von der Bank hoch. Er achtete nicht weiter auf die hilfsbereite Frau und lief auf den Eingang in der Mauer zu, hinter dem ein dunkler Ganges in den Kerker führte.
Caroline Muller sah ihm nach und schüttelte kurz den Kopf. »Bei dem Mann stimmt doch irgendetwas nicht.« Die Erinnerung an die Szene ließ sie nicht los. Seine Art zu sprechen, sein Gang, sein Wesen, das alles hinterließ sie nachdenklich. Sie musste wieder an ihren Arbeitsplatz. Aus dem Augenwinkel sah sie gerade noch, wie der Mann im unteren Eingang des Kerkers verschwand. Sie schüttelte den Kopf und stieg die Stufen zum Museumsbüro hinab. Dort warteten schon neue Gäste, die sich die Besichtigung des Castles nicht entgehen lassen wollten.
Der Rest des Tages ließ Caroline keine Zeit, sich Gedanken um den Mann zu machen, der auf der Bank saß. Bis zum späten Nachmittag kamen unzählige Touristen zur Festung, denen sie lächelnd Eintrittskarten verkaufte.
Sie schaute, einem inneren Gefühl folgend, zur Treppe, die nach oben führte, und erstarrte. Der Mann, der vor kurzen im Innenraum des Castles auf der Bank saß, stand jetzt vor ihr, in voller Rüstung, von der ein weißer Umhang mit einem roten Kreuz hing. Über seinem Kopf schwang er ein großes Schwert. Erschrocken zuckte Caroline zusammen. Sie glaubte, Opfer von Halluzinationen geworden zu sein. Ein Schrei erschütterte die Mauern. Eine ältere Dame saß auf der Treppe und umfasste schmerzerfüllt einen Knöchel.
Caroline schaute erneut zum hell erleuchteten Eingang der Burg. Da stand kein Ritter, da saß nur eine ältere Dame, die nicht mehr gehen konnte und erklärte, mit dem Fuß umgeknickt zu sein. Ein kräftiger Windhauch hätte sie getroffen und zur Seite geworfen. Caroline griff nach dem Telefon des Museums und bat im nahe gelegenen Stonewall um einen Rettungswagen. Sie setzte sich zu der Dame und versuchte, sie zu beruhigen. Dabei erfuhr Caroline, dass die Besucherin aus Deutschland gekommen war, um diese Ruine zu besuchen. Vor dreißig Jahren war sie zum ersten Mal in Dunnottar. Die Frau war mit einem schottischen Soldaten verheiratet, der schon vor langer Zeit verstorben war. Es ist ihr Wunsch, noch einmal seine Heimat zu besuchen. Sie wollte hier ein mit seinem Namen besticktes Taschentuch ins Meer werfen. Eine Tradition aus Schottland, wenn der Platz der letzten Ruhe nicht in der Heimat war. Die Lebensgeschichte der Deutschen beeindruckte Caroline.
Sie hörte die Rettungssanitäter kommen. Auch diese mussten die langen Treppen zum Castle zu Fuß bewältigen.
Die Frau küsste sie auf den Handrücken und ließ sich von den Fachleuten versorgen. Die Sanitäter trugen die Dame nach der Erstversorgung des Knöchels im Rettungsgriff die Treppe hinunter und verließen die Festung.
Caroline musste noch die Abrechnung erstellen. Vorher nahm sie eine große Handglocke und stieg die Stufen zum Innenhof hinauf. Sie läutete lange und forderte die Menschen auf, das Castle zu verlassen. Das war ihre tägliche letzte Runde auf der alten Festung.
Tom hörte das Läuten der Glocke in einem dunklen Raum. Er zog seine Finger ein letztes Mal durch lange schmale Fugen, die im Fels zu sehen waren. Ein leises Stöhnen, dann ließ er die Kette sinken. Er schloss die Augen. Sofort erschien sein Peiniger vor ihm. Breitbeinig stand Earl Spencer Duncon vor ihm und schlug immer wieder mit einer rindsledernen Peitsche auf ihn ein, die die Haut von seiner breiten Brust riss. Die Marter, die er in der Gegenwart, im Hier und Heute, an der Körperstelle empfand, war so real. Nebel umspielte die Szene und er öffnete die Augen. Er spürte den Schmerz der Striemen und der Narben, die seine Brust zeichneten, und legte seine große Hand auf den Brustkorb.
In lateinischer Sprache betete Tom:
»Domine, da mihi virtutem. Domine, alci vindicta mea est. Domine da mihi aeternum. Herr, gib mir die Kraft. Herr, lass die Rache mein sein. Herr, schenke mir die Ewigkeit.«

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